An die Nachwelt

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16. Dezember 1935
Rudolf Claus
Königsdamm 7 Liebe Eltern, Geschwister und Bekannte! Mariechen, Deinen lieben Brief habe ich mit großer Freude erhalten, auch Huldas Bildchen. Es ist gerade, als hätte ich sie erst gestern gesehen. Nun steht die gnadenbringende Weihnachtszeit bevor. Aber für mich und diese Botschaft an Euch alle, meine Lieben, ist sie keine freudige. Mariechen, ich richte diesen Brief an Dich, denn Du wirst am stärksten sein, diese schreckliche Botschaft empfangen zu können und sie allen, vor allen Dingen meinen lieben Eltern in ihrem betagten Alter und auch Mutter Danecke, schonend mitzuteilen. Der Gnadenbeweis ist abgelehnt, und noch einige Stunden, dann ist mein Leidensweg beendet. Liebe Eltern und Geschwister, in Gedanken bin ich bei Euch, um Euch alle zu trösten über das brutale Scheiden von Euch. Meine Lieben, die Vollstreckung dieses Urteils ist kaum beispiellos in der Weltgeschichte. Nochmals wird die Presse als Hauptbegründung des Urteils Mitteldeutschland 1921 anführen. Aber es kommt weniger die Straftat in Betracht, sondern meine kommunistische Anschauung. Und darum sehe ich tapfer und mit Ruhe der Entscheidung entgegen. Auch bitte ich Euch nochmals, in Ruhe den Schicksalsschlag zu überwinden. Immer muss ich an Mutters Worte denken, die sie mir früher mal in Wolfenbüttel sagte und auch bei unserem Abschied in Braunschweig, und nun muss mein Leben ein tragisches Ende nehmen. Ja, liebe Eltern, schon viel habt Ihr um mich gelitten, und ich war Euch ein großes Sorgenkind. Persönlich kann ich Euch keinen Trost spenden.Aber auf diesem Wege möchte ich Euch alle Kraft zur Stärkung senden zur Überwindung. – Mariechen, da ich nicht allen Verwandten und Bekannten meine Abschiedsgrüße schreiben kann, sei Du bitte so gut und übermittle sie. Des Weiteren habe ich veranlasst, dass auch meine Sachen an Dich geschickt werden. Hebt bitte Marthas Briefe für sie auf. Meine Armbanduhr soll mein Neffe Ernstchen zur Erinnerung an mich haben. – Martha habe ich selbst geschrieben. Huldas Bild sende bitte mit meinen herzlichen Grüßen an sie zurück. So, Ihr Lieben alle, hiermit scheide ich von Euch, indem ich in Gedanken bei Euch weile, verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Euer Sohn und Bruder Rudolf Zur Zerstreuung meiner letzten Stunden weilen einige Beamte und der Anstaltspfarrer bei mir, mit dem man sich menschlich gut unterhalten kann. Also, meine Lieben, nochmals, seid stark und überwindet. Rudolf
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Rudolf Claus 16. Dezember 1935 Königsdamm 7 Liebe Eltern, Geschwister und Bekannte! Mariechen, Deinen lieben Brief habe ich mit großer Freude erhalten, auch Huldas Bildchen. Es ist gerade, als hätte ich sie erst gestern gesehen. Nun steht die gnadenbringende Weihnachtszeit bevor. Aber für mich und diese Botschaft an Euch alle, meine Lieben, ist sie keine freudige. Mariechen, ich richte diesen Brief an Dich, denn Du wirst am stärksten sein, diese schreckliche Botschaft empfangen zu können und sie allen, vor allen Dingen meinen lieben Eltern in ihrem betagten Alter und auch Mutter Danecke, schonend mitzuteilen. Der Gnadenbeweis ist abgelehnt, und noch einige Stunden, dann ist mein Leidensweg beendet. Liebe Eltern und Geschwister, in Gedanken bin ich bei Euch, um Euch alle zu trösten über das brutale Scheiden von Euch. Meine Lieben, die Vollstreckung dieses Urteils ist kaum beispiellos in der Weltgeschichte. Nochmals wird die Presse als Hauptbegründung des Urteils Mitteldeutschland 1921 anführen. Aber es kommt weniger die Straftat in Betracht, sondern meine kommunistische Anschauung. Und darum sehe ich tapfer und mit Ruhe der Entscheidung entgegen. Auch bitte ich Euch nochmals, in Ruhe den Schicksalsschlag zu überwinden. Immer muss ich an Mutters Worte denken, die sie mir früher mal in Wolfenbüttel sagte und auch bei unserem Abschied in Braunschweig, und nun muss mein Leben ein tragisches Ende nehmen. Ja, liebe Eltern, schon viel habt Ihr um mich gelitten, und ich war Euch ein großes Sorgenkind. Persönlich kann ich Euch keinen Trost spenden.Aber auf diesem Wege möchte ich Euch alle Kraft zur Stärkung senden zur Überwindung. – Mariechen, da ich nicht allen Verwandten und Bekannten meine Abschiedsgrüße schreiben kann, sei Du bitte so gut und übermittle sie. Des Weiteren habe ich veranlasst, dass auch meine Sachen an Dich geschickt werden. Hebt bitte Marthas Briefe für sie auf. Meine Armbanduhr soll mein Neffe Ernstchen zur Erinnerung an mich haben. – Martha habe ich selbst geschrieben. Huldas Bild sende bitte mit meinen herzlichen Grüßen an sie zurück. So, Ihr Lieben alle, hiermit scheide ich von Euch, indem ich in Gedanken bei Euch weile, verbleibe ich mit herzlichen Grüßen Euer Sohn und Bruder Rudolf Zur Zerstreuung meiner letzten Stunden weilen einige Beamte und der Anstaltspfarrer bei mir, mit dem man sich menschlich gut unterhalten kann. Also, meine Lieben, nochmals, seid stark und überwindet. Rudolf
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