An die Nachwelt

An die Nachwelt

Filter
Random
Aus Zügen geworfen, unter der Erde verscharrt, in Thermoskannen versteckt – die letzten Nachrichten und Zeitzeugnisse von NS-Opfern gegen das Vergessen bilden einen Atlas der Individualität. Wir werden die Dimension des Holocaust nicht begreifen ohne den Blick darauf, wer vernichtet wurde. Wir müssen die Aufzeichnungen bergen, wiederbeleben und weitergeben. Sie sind der Imperativ des Humanismus: Seht die Menschen!
Wir müssen das Böse fürchten lernen. Es war möglich. Es ist möglich. Es bleibt möglich. Vergessen nimmt uns die Angst – vor den Möglichkeiten der Politik.

zurück
Vorwort
Suche
Autor*innen
Kapitelauswahl
Anordnung
Random
Nachwort
mehr
09. Februar 1945
Walter Empacher
Gretchen, die Würfel sind gefallen. Sie haben nur schlechte Punkte auf der Oberseite. Bald wird mir die Tinte abgenommen werden. Ob wir uns noch einmal wiedersehen? Ob der Brief überhaupt in Deine Hände kommt? Behalte mich lieb. Weine nicht lange. Erziehe unseren Jungen aufrecht und stolz im Gedanken an seinen Vater. Zwanzig Jahre Liebe – Werner liegt gegenüber. In einer Stunde ist die Vollstreckung unseres Urteils. Ich hätte Dir noch so vieles zu sagen – jetzt, wo ich das eben höre, stockt die Feder. Liebes, liebes Mädel, grüße alle. Auch ich werde nicht jammern. Wie gerne bliebe ich am Leben. Dein Walter
teilen
Social Media
Link zum Post
https://an-die-nachwelt.de/walter-empacher-09-februar-1945-abschied-54
kopieren
Reiner Text
Walter Empacher 09. Februar 1945 Gretchen, die Würfel sind gefallen. Sie haben nur schlechte Punkte auf der Oberseite. Bald wird mir die Tinte abgenommen werden. Ob wir uns noch einmal wiedersehen? Ob der Brief überhaupt in Deine Hände kommt? Behalte mich lieb. Weine nicht lange. Erziehe unseren Jungen aufrecht und stolz im Gedanken an seinen Vater. Zwanzig Jahre Liebe – Werner liegt gegenüber. In einer Stunde ist die Vollstreckung unseres Urteils. Ich hätte Dir noch so vieles zu sagen – jetzt, wo ich das eben höre, stockt die Feder. Liebes, liebes Mädel, grüße alle. Auch ich werde nicht jammern. Wie gerne bliebe ich am Leben. Dein Walter
kopieren
Bildatei

Nachwort

Ich habe Angst vor Menschen – ich habe vor nichts solche Angst wie vor Menschen. Wie gut und wie böse sie werden können, dafür gibt es kein Maß, keine Basis, keine Sicherheit.

[…] Hier waren aber kleine Beamte, Handwerker, junge Mädchen, Frauen. Die ganze Bosheit, die ihnen innewohnte, hätte sich unter anderen Umständen höchstens in Tratsch, Übervorteilen, Tyrannei im Familienkreis und dergleichen ausgelebt.

Grete Salus