An die Nachwelt

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29. Oktober 1943
Anne Frank
Mir geht es ganz gut, nur habe ich gar keinen Appetit. Immer wieder heißt es: Du siehst so schlecht aus! Ich muss sagen, dass meine Familie sich die größte Mühe gibt, um mich gesund und kräftig zu erhalten. Leider bin ich nicht immer Herr über meine Nerven. Sonntags empfinde ich das am meisten. Dann ist die Stimmung im ganzen Haus gedrückt, so schläfrig und oft bleischwer. Man hört kaum Geräusche von draußen, und eine beklemmende Schwüle liegt über allem. Dann ist es, als ob schwere Gewichte mich tief herunterziehen. Vater, Mutter und Margot sind mir dann sogar gleichgültig. Ich irre im Haus herum, von einem Zimmer zum anderen, treppauf, treppab. Ich fühle mich wie ein Singvogel, dem man die Flügel beschnitten hat und der im Dunkeln gegen die Stangen seines engen Käfigs anfliegt. „Heraus, heraus“, schreit es in mir, „ich habe Sehnsucht nach Luft und Lachen!“ Aber ich weiß, dass es keine Antwort darauf gibt, und dann lege ich mich schlafen, um über diese Stunden mit ihrer Stille und Angst hinwegzukommen.
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Anne Frank 29. Oktober 1943 Mir geht es ganz gut, nur habe ich gar keinen Appetit. Immer wieder heißt es: Du siehst so schlecht aus! Ich muss sagen, dass meine Familie sich die größte Mühe gibt, um mich gesund und kräftig zu erhalten. Leider bin ich nicht immer Herr über meine Nerven. Sonntags empfinde ich das am meisten. Dann ist die Stimmung im ganzen Haus gedrückt, so schläfrig und oft bleischwer. Man hört kaum Geräusche von draußen, und eine beklemmende Schwüle liegt über allem. Dann ist es, als ob schwere Gewichte mich tief herunterziehen. Vater, Mutter und Margot sind mir dann sogar gleichgültig. Ich irre im Haus herum, von einem Zimmer zum anderen, treppauf, treppab. Ich fühle mich wie ein Singvogel, dem man die Flügel beschnitten hat und der im Dunkeln gegen die Stangen seines engen Käfigs anfliegt. „Heraus, heraus“, schreit es in mir, „ich habe Sehnsucht nach Luft und Lachen!“ Aber ich weiß, dass es keine Antwort darauf gibt, und dann lege ich mich schlafen, um über diese Stunden mit ihrer Stille und Angst hinwegzukommen.
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