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Reiner Text
Edgar André
04. November 1936
3:45 Uhr morgens
Allerliebste und allertreueste Mutti!
Vielen Dank noch für Deine letzten Grüße aus Paris, und nun meinen Brief, der allerletzte, den ich überhaupt schreibe. Ich weiß leider nicht Deine Adresse, aber der Rechtsanwalt de Bock aus Brüssel wird Dich schon zu finden wissen.
Alles, was ich denke und fühle, weißt Du; deshalb will ich auch nur diese wenigen kurzen Sätze schreiben. Dass ich bis zum Ende der alte bleibe, weißt Du, nur eins will ich noch tun, Dir danken für die zehn schönen Jahre, ja, auch die Jahre, die ich hier verbracht habe.
Stets hast Du mir, einer Heldin gleich, treu, tapfer und mutig zur Seite gestanden, und Dir habe ich es nun am
meisten zu verdanken, dass ich bis zur letzten Stunde gerade und tapfer bleibe. Jeden erreicht das Schicksal, den einen so, den anderen anders, den einen früher, den anderen später. Mein Wunsch ist es, dass Du keine Trübsal bläst, suche und finde einen treuen und tapferen Menschen, der weiterhin Dir Stütze und Freund sein soll. Du sollst keine ewige Witwe bleiben, bis zuletzt weiß ich, dass Du oft und gern an Deinen alten Freund und treuen Kameraden denken wirst.
Bis zu Ende bleibe ich ein ehrlicher Kerl, habe mich bis zuletzt verteidigt und kehre ins Nichts zurück ohne irgendwelche Gewissensbisse.
Lebe wohl, liebe, treue, tapfere und gute Mutti. Viele herzlichste und treueste Küsse; grüß meine Pariser Freunde.
Meine letzten Gedanken sind bei Dir. Warum noch viel darüber schreiben, Du weißt, dass nur noch eins über Dir stand. Von Menschen aber bist Du mir das Höchste gewesen. Lebe wohl, glücklich, lange und froh.
Noch einmal drücke ich Dich fest ans Herz, meine Augen auf Deinem vor mir liegenden Bild.
Bis zuletzt Dein Edie
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