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Reiner Text
Hanna Lévy-Hass
29. August 1944
Man ist krank, wenn man keine Bücher hat. Ich habe den Eindruck, mein innerstes Wesen ist erschlagen. Wie viele verlorene Stunden, wie viele entgangene, unerreichbare Reichtümer. Welch ein elendes, fruchtloses Leben... der Geist verkümmert. Ich denke viel nach, ich lerne viel in diesem Unglück, ich lerne viele Dinge des Lebens verstehen, die mir entgangen waren. Aber mit Bedauern denke ich an das wirkliche Leben, an das Leben der freien Menschheit, an so viele Kenntnisse, die ich in den letzten Jahren, und selbst hier, versäumt habe, an so viele Lücken meines Wissens.
Eine Art allgemeinen Misstrauens herrscht in diesem Lager und auch in unserer Baracke. Vollkommene Interesselosigkeit für das Schicksal anderer, Mangel an Solidarität und Herzlichkeit. Daher kommt es, dass man fast keinerlei Austausch von irgendwelchen Gedanken, Büchern hat, dass man keinen geistigen oder einfach menschlichen Kontakt pflegen kann…
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