An die Nachwelt

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März 1945
Hanna Lévy-Hass
Professor K. ist der Ansicht, dass die Ethik, wie wir sie verstehen, in diesen Konzentrationslagern nicht am Platze ist, und dass sie sich von selbst ausschließt. Nach seiner Meinung ist sie sogar unnötig, und man könne nicht umhin, auf sie zu verzichten, wenn man trotz allem überleben wolle, um zum Aufbau einer neuen Welt seinen Beitrag leisten zu können, in der diese Ethik vorherrschen wird. Der Geist sei der Materie untergeordnet, er sei nur ihre äußere Erscheinungsform, die Sublimierung der Materie, der Überbau. In der Konsequenz sei es schicksalhaft und unvermeidlich, dass die Materie den Geist dort verstößt, wo er nicht am Platz ist und zur Anomalie wird. Ich weiß nicht, das will nicht in meinen Kopf... Konkret, in den Fällen, die uns hier interessieren, was bedeutet da im Grunde der Sieg der Materie? Er bedeutet einfach mit dem Feind einen Kompromiss einzugehen, die eigenen Grundsätze zu verraten, die Seele zu verleugnen, um den Körper zu erhalten. Und wenn man dieses Argument an Hand konkreter Beispiele noch weiterführen will, so bedeutet das mit den Henkern zu liebäugeln, sich zu prostituieren und vor dem Elend und dem Massentod feige die Augen zu verschließen, das zu essen, was man anderen geraubt hat und den Rundtanz um die Leichenhaufen zu tanzen. Das heißt: seine menschliche Vernunft, seine Menschenwürde und seine Grundsätze zu verkaufen, das heißt endlich, seine Haut zu retten um den Preis der Haut der anderen... Aber, sollte denn dieses Menschenleben letztlich so großen Wert besitzen, dass für seine Erhaltung all diese Gräuel erlaubt waren?
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Hanna Lévy-Hass März 1945 Professor K. ist der Ansicht, dass die Ethik, wie wir sie verstehen, in diesen Konzentrationslagern nicht am Platze ist, und dass sie sich von selbst ausschließt. Nach seiner Meinung ist sie sogar unnötig, und man könne nicht umhin, auf sie zu verzichten, wenn man trotz allem überleben wolle, um zum Aufbau einer neuen Welt seinen Beitrag leisten zu können, in der diese Ethik vorherrschen wird. Der Geist sei der Materie untergeordnet, er sei nur ihre äußere Erscheinungsform, die Sublimierung der Materie, der Überbau. In der Konsequenz sei es schicksalhaft und unvermeidlich, dass die Materie den Geist dort verstößt, wo er nicht am Platz ist und zur Anomalie wird. Ich weiß nicht, das will nicht in meinen Kopf... Konkret, in den Fällen, die uns hier interessieren, was bedeutet da im Grunde der Sieg der Materie? Er bedeutet einfach mit dem Feind einen Kompromiss einzugehen, die eigenen Grundsätze zu verraten, die Seele zu verleugnen, um den Körper zu erhalten. Und wenn man dieses Argument an Hand konkreter Beispiele noch weiterführen will, so bedeutet das mit den Henkern zu liebäugeln, sich zu prostituieren und vor dem Elend und dem Massentod feige die Augen zu verschließen, das zu essen, was man anderen geraubt hat und den Rundtanz um die Leichenhaufen zu tanzen. Das heißt: seine menschliche Vernunft, seine Menschenwürde und seine Grundsätze zu verkaufen, das heißt endlich, seine Haut zu retten um den Preis der Haut der anderen... Aber, sollte denn dieses Menschenleben letztlich so großen Wert besitzen, dass für seine Erhaltung all diese Gräuel erlaubt waren?
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