An die Nachwelt

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13. Mai 1942
Herbert Bochow
Königsdamm 7, Haus 3 Liebe Hanni! Aus obiger Adresse siehst Du, wo ich mich befinde. Nach der sogenannten Verhandlung vor dem Volksgerichtshof bin ich nämlich zum Tode verurteilt; inwieweit diese Strafe tatsächlich zutrifft, weiß ich nicht. Eines nur, liebe Hanni, ist mir klar: Du und der Junge, Ihr sollt leben – und zwar im Bewusstsein, dass das Leben schön, liebensund lebenswert ist. Sei tapfer für Frank und denke: der Tod oder jahrelanges Fernbleiben (was beinahe dasselbe ist) ist nicht das Schlimmste im menschlichen Leben. Ich fürchte den Tod nicht – das ist die Wahrheit. Es gibt schlimmere Situationen als ihn. Dir, Hanni, drücke ich beide Hände, küsse sie und bin Dir auch in Zukunft dankbar für die gebotene Liebe und Sorge, mit der Du ein halbes Leben meine Frau gewesen bist. Verzage nicht. Weder körperlich, geistig noch seelisch, wenn über mich tatsächlich das Letzte kommt. Es sind schon bessere Menschen um weniger gestorben – und haben noch mehr als ein Kind hinterlassen. Erziehe Frank zu einer starken, männlichen Haltung allen Schicksalsschlägen gegenüber. Grüße die Oma – und drücke Frank an Dein Herz. Erzähl ihm von seinem Vater, das Gute jetzt und später auch das Böse; gut und böse: so ist der Mensch. Für das Böse sterbe ich nicht, sondern für meine Weltanschauung. Ich bin Dein Herbert
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Reiner Text
Herbert Bochow 13. Mai 1942 Königsdamm 7, Haus 3 Liebe Hanni! Aus obiger Adresse siehst Du, wo ich mich befinde. Nach der sogenannten Verhandlung vor dem Volksgerichtshof bin ich nämlich zum Tode verurteilt; inwieweit diese Strafe tatsächlich zutrifft, weiß ich nicht. Eines nur, liebe Hanni, ist mir klar: Du und der Junge, Ihr sollt leben – und zwar im Bewusstsein, dass das Leben schön, liebensund lebenswert ist. Sei tapfer für Frank und denke: der Tod oder jahrelanges Fernbleiben (was beinahe dasselbe ist) ist nicht das Schlimmste im menschlichen Leben. Ich fürchte den Tod nicht – das ist die Wahrheit. Es gibt schlimmere Situationen als ihn. Dir, Hanni, drücke ich beide Hände, küsse sie und bin Dir auch in Zukunft dankbar für die gebotene Liebe und Sorge, mit der Du ein halbes Leben meine Frau gewesen bist. Verzage nicht. Weder körperlich, geistig noch seelisch, wenn über mich tatsächlich das Letzte kommt. Es sind schon bessere Menschen um weniger gestorben – und haben noch mehr als ein Kind hinterlassen. Erziehe Frank zu einer starken, männlichen Haltung allen Schicksalsschlägen gegenüber. Grüße die Oma – und drücke Frank an Dein Herz. Erzähl ihm von seinem Vater, das Gute jetzt und später auch das Böse; gut und böse: so ist der Mensch. Für das Böse sterbe ich nicht, sondern für meine Weltanschauung. Ich bin Dein Herbert
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