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Reiner Text
Johannes Eggert
[undatiert]
Meine liebe kleine Luzie!
Soeben erhalte ich die Mitteilung, dass meine Hinrichtung in einigen Stunden vollzogen wird. Mit der mir eigenen Ruhe habe ich diese Mitteilung entgegengenommen und will jetzt mit diesem Briefe Abschied von Dir nehmen. Ich habe heute im Laufe des Tages bereits einen Brief an Dich geschrieben, den Du ja mit gleicher Post erhalten wirst. Ich betone noch einmal, mein Schatz, dass ich eine Furcht oder Angst vor dem Tode nicht kenne. Du kannst also ganz beruhigt sein insofern, als mir die letzten Stunden durchaus nicht schwerfallen. Ebenso wie ich im Kriege meinen Mann stand, ebenso, mit demselben Mut gehe ich auch diesen Gang. Jedenfalls sei überzeugt, dass ich mit der notwendigen Tapferkeit zu sterben weiß. Ich hoffe, mein Schatz, dass auch Du diese Nachricht mit derselben Tapferkeit entgegennimmst, die ich von Dir als meiner Ehefrau erwarte. Du warst mir in der Zeit unserer Ehe meine liebe und gute Kameradin, wofür ich Dir jetzt noch besonderen Dank ausspreche.
Wenn ich auch weiß, dass Du im ersten Moment einen kleinen Schreck bekommen wirst, so weine Dich einmal richtig aus, und dann denke als eine liebe Erinnerung an die Zeit unserer Ehe zurück.
Es gibt für viele Menschen im Leben unangenehme Situationen, die man aber überwindet. Lasse Dich durch die Trauer um mich nicht unterkriegen, sondern nimm Deinen Mut zusammen und zimmere Dir Dein Leben ohne meine weitere Mitwirkung. Ich bin überzeugt, dass Deine dortigen Verwandten Dich in der ersten Zeit besonders aufmuntern werden. Halte Dir immer vor Augen, dass wir alle sterben müssen, je nachdem, der eine etwas früher, der andere später. Die Todesarten sind natürlich sehr verschieden, aber an der Tatsache des Todes selbst ändert sich nichts. Es kommt letzten Endes darauf an, ob man während der Zeit seines Lebens seinen Platz in der menschlichen Gesellschaft ausfüllt. Ich gestehe Dir ganz offen, dass mir unter den vielen Todesmöglichkeiten die mir zugedachte noch am meisten zusagt. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass ich im Leben immer versucht habe, meine Pflicht zu tun, die ich nach meinem Ermessen für richtig hielt. Versuche auch Du immer, in Deinem Leben Deine Pflicht zu tun. Mit meinem Bruder habe ich vereinbart, dass er meine Sachen behält und Dir das übermittelt, was Du gerne als Andenken haben möchtest. Ebenso hat mir derselbe versprochen, Dir, soweit er in der Lage dazu ist, mit Rat und Tat zu helfen.
Ich glaube aber, dass Du diese Hilfe wahrscheinlich nicht benötigen wirst. Sei nun also zum letzten Male in Gedanken umarmt und geküsst von
Deinem Hans
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