An die Nachwelt

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[undatiert]
Julius Fucik
Meine Lieben! Wie Ihr wohl schon wisst, änderte ich meinen Wohnort. Am 23. August in Bautzen erwartete ich gerade Euren Brief und erhielt stattdessen eine Einladung nach Berlin. Am 24.8. früh war die Gerichtsverhandlung und zu Mittag war schon alles fertig. Es fiel nach Erwarten aus. Jetzt sitze ich noch mit einem Kameraden in der Zelle in Plötzensee, wir kleben Tüten, singen uns eins und warten, wann die Reihe an uns kommt. Es bleiben uns noch einige Wochen, manchmal sind es auch Monate. Die Hoffnungen fallen leise und weich ab, wie welke Blätter. Lyrische Seelen, die das anschauen, verfallen manchmal der Sehnsucht. Der Winter bereitet sich den Menschen vor wie einen Baum. Glaubt mir: Nichts, gar nichts hat mir das von meiner Freude genommen, die in mir ist und sich täglich mit irgendeinem Motiv von Beethoven meldet. Der Mensch wird nicht kleiner, auch wenn er um einen Kopf kürzer ist. Und ich wünsche mir brennend, dass Ihr, wenn alles vorbei ist, Euch meiner nicht in Trauer erinnert, sondern mit der gleichen Freude, mit der ich immer lebte. J. F.
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Julius Fucik [undatiert] Meine Lieben! Wie Ihr wohl schon wisst, änderte ich meinen Wohnort. Am 23. August in Bautzen erwartete ich gerade Euren Brief und erhielt stattdessen eine Einladung nach Berlin. Am 24.8. früh war die Gerichtsverhandlung und zu Mittag war schon alles fertig. Es fiel nach Erwarten aus. Jetzt sitze ich noch mit einem Kameraden in der Zelle in Plötzensee, wir kleben Tüten, singen uns eins und warten, wann die Reihe an uns kommt. Es bleiben uns noch einige Wochen, manchmal sind es auch Monate. Die Hoffnungen fallen leise und weich ab, wie welke Blätter. Lyrische Seelen, die das anschauen, verfallen manchmal der Sehnsucht. Der Winter bereitet sich den Menschen vor wie einen Baum. Glaubt mir: Nichts, gar nichts hat mir das von meiner Freude genommen, die in mir ist und sich täglich mit irgendeinem Motiv von Beethoven meldet. Der Mensch wird nicht kleiner, auch wenn er um einen Kopf kürzer ist. Und ich wünsche mir brennend, dass Ihr, wenn alles vorbei ist, Euch meiner nicht in Trauer erinnert, sondern mit der gleichen Freude, mit der ich immer lebte. J. F.
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