An die Nachwelt

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12. Juni 1943
Klaartje de Zwarte-Walvisch
Weiterleben, als ob nichts geschehen wäre. Geht das? Es gibt Dinge, auf die ich selbst keine Antwort mehr geben kann. Nicht nachdenken ist am besten. Sich der Dinge nicht bewusst werden. Jeden Tag wird unser Leid drückender und größer. Die Leiterinnen schreien und toben uns gegenüber, dass man es nicht mit anhören kann. Gestern früh wurden uns vierzehn Tage Paketsperre angedroht. Das bedeutet, vierzehn Tage von dem widerlichen Essen zu leben. Alle Pakete werden dann einbehalten. Keine Päckchen, kein Männerbesuch. Das sind die Dinge, mit denen man uns zuerst droht. Sie wissen immer ganz genau, wie sie uns am ärgsten treffen können. Gestern gab es eine neue Drohung. Wenn wir Frauen ohne den so sehr verhassten Stern herumlaufen, werden wir folgendermaßen bestraft: Der Kopf wird uns kahl geschoren und der Judenstern auf die bloße Haut tätowiert. Ist es ein Wunder, dass wir vor jeder Maßnahme zittern? Man droht uns mit den schmutzigsten und gemeinsten Dingen; etwas Dreckigeres als die oben genannte Maßregel kann man sich doch wohl nicht vorstellen. Wir werden aufgescheucht wie wilde Tiere und haben gar keine Ruhe mehr. Es dürfen keine Männer mehr ins Frauenlager kommen. Schwere Kessel mit Essen tragen, Betten umstellen, kurzum, alle schweren Arbeiten müssen von den Frauen verrichtet werden. Und das alles bei sehr wenig Essen. Das Brot ist schon verschimmelt, bevor wir es bekommen. Ganze Stücke müssen wir wegschneiden, bevor es gegessen werden kann.
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Klaartje de Zwarte-Walvisch 12. Juni 1943 Weiterleben, als ob nichts geschehen wäre. Geht das? Es gibt Dinge, auf die ich selbst keine Antwort mehr geben kann. Nicht nachdenken ist am besten. Sich der Dinge nicht bewusst werden. Jeden Tag wird unser Leid drückender und größer. Die Leiterinnen schreien und toben uns gegenüber, dass man es nicht mit anhören kann. Gestern früh wurden uns vierzehn Tage Paketsperre angedroht. Das bedeutet, vierzehn Tage von dem widerlichen Essen zu leben. Alle Pakete werden dann einbehalten. Keine Päckchen, kein Männerbesuch. Das sind die Dinge, mit denen man uns zuerst droht. Sie wissen immer ganz genau, wie sie uns am ärgsten treffen können. Gestern gab es eine neue Drohung. Wenn wir Frauen ohne den so sehr verhassten Stern herumlaufen, werden wir folgendermaßen bestraft: Der Kopf wird uns kahl geschoren und der Judenstern auf die bloße Haut tätowiert. Ist es ein Wunder, dass wir vor jeder Maßnahme zittern? Man droht uns mit den schmutzigsten und gemeinsten Dingen; etwas Dreckigeres als die oben genannte Maßregel kann man sich doch wohl nicht vorstellen. Wir werden aufgescheucht wie wilde Tiere und haben gar keine Ruhe mehr. Es dürfen keine Männer mehr ins Frauenlager kommen. Schwere Kessel mit Essen tragen, Betten umstellen, kurzum, alle schweren Arbeiten müssen von den Frauen verrichtet werden. Und das alles bei sehr wenig Essen. Das Brot ist schon verschimmelt, bevor wir es bekommen. Ganze Stücke müssen wir wegschneiden, bevor es gegessen werden kann.
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