An die Nachwelt

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[undatiert]
Salmen Gradowski
Das ist die erste Begrüßung für die Neuankömmlinge. Alle sind wie betäubt und schauen sich um, wohin man sie denn gebracht habe. Gleich informieren sie uns, dass wir nun eine Probe des Lagerlebens hätten. Hier herrsche eiserne Disziplin. Hier befänden wir uns in einem Todeslager. Dies sei eine tote Insel. Der Mensch käme nicht hierher, um zu leben, sondern um früher oder später seinen Tod zu finden. Hier sei kein Ort, um zu leben. Es sei die Residenz des Todes. […] Man begann die Neuankömmlinge zu tätowieren. Jeder erhielt seine Nummer. Schon bist du nicht mehr derselbe, der du früher gewesen bist, sondern eine wertlose, sich fortbewegende Nummer ... Von diesem Augenblick an hast du dein „Ich“ verloren und hast dich in eine Nummer verwandelt. […] Die, die neben uns stehen, gucken uns an. Sie sehen auf unsere Nummern. Sie wundern sich über unser Aussehen, das offenbar zu gut fürs Lager ist. Aber als sie die Nummern genauer sehen, wird ihnen alles klar. Gestern erst gekommen. Das Lagerleben noch nicht versucht, die Arbeit nicht geschmeckt. Noch nicht die Lageratmosphäre geatmet. Musik ist zu hören. Was ist da geschehen? Dass in dem Toten-Lager Musik, auf der Toten-Insel der Klang des Lebens zu hören ist. Dass auf dem Arbeits-Schlachtfeld noch die Gemüter mit den zauberhaften Tönen des früheren Lebens gereizt werden! Sollte man dich hier in dem großen Friedhof, wo alles Tod und Vernichtung atmet, noch an dein früheres Leben erinnern, dich mit ihm reizen? Aber hier ist alles möglich. Das ist die Harmonie der Barbarei. Das ist die Logik des Sadismus.
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Salmen Gradowski [undatiert] Das ist die erste Begrüßung für die Neuankömmlinge. Alle sind wie betäubt und schauen sich um, wohin man sie denn gebracht habe. Gleich informieren sie uns, dass wir nun eine Probe des Lagerlebens hätten. Hier herrsche eiserne Disziplin. Hier befänden wir uns in einem Todeslager. Dies sei eine tote Insel. Der Mensch käme nicht hierher, um zu leben, sondern um früher oder später seinen Tod zu finden. Hier sei kein Ort, um zu leben. Es sei die Residenz des Todes. […] Man begann die Neuankömmlinge zu tätowieren. Jeder erhielt seine Nummer. Schon bist du nicht mehr derselbe, der du früher gewesen bist, sondern eine wertlose, sich fortbewegende Nummer ... Von diesem Augenblick an hast du dein „Ich“ verloren und hast dich in eine Nummer verwandelt. […] Die, die neben uns stehen, gucken uns an. Sie sehen auf unsere Nummern. Sie wundern sich über unser Aussehen, das offenbar zu gut fürs Lager ist. Aber als sie die Nummern genauer sehen, wird ihnen alles klar. Gestern erst gekommen. Das Lagerleben noch nicht versucht, die Arbeit nicht geschmeckt. Noch nicht die Lageratmosphäre geatmet. Musik ist zu hören. Was ist da geschehen? Dass in dem Toten-Lager Musik, auf der Toten-Insel der Klang des Lebens zu hören ist. Dass auf dem Arbeits-Schlachtfeld noch die Gemüter mit den zauberhaften Tönen des früheren Lebens gereizt werden! Sollte man dich hier in dem großen Friedhof, wo alles Tod und Vernichtung atmet, noch an dein früheres Leben erinnern, dich mit ihm reizen? Aber hier ist alles möglich. Das ist die Harmonie der Barbarei. Das ist die Logik des Sadismus.
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