An die Nachwelt

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Nachwort
07. April 1943
[unbekannt]
Meine Teuren! Bevor ich von dieser Welt gehe, will ich Euch, meine Liebsten, einige Zeilen hinterlassen. Wenn Euch einmal dieses Schreiben erreichen wird, sind ich und wir alle nicht mehr da. Unser Ende naht. Man spürt es, man weiß es. Wir sind alle, genau so, wie die schon hingerichteten unschuldigen, wehrlosen Juden, zum Tode verurteilt. Der kleine Rest, der von den Massenmorden noch zurückgeblieben ist, kommt in der allernächsten Zeit an die Reihe. Es gibt für uns keinen Ausweg, diesem grauenvollen fürchterlichen Tode zu entrinnen. Gleich am Anfang (im Juli 1941) wurden ca. 5 000 Männer umgebracht, darunter auch mein Mann. Nach sechs Wochen habe ich nach fünf Tagen langen Herumsuchens unter den Leichen (die vor der Ziegelei umgebracht und von dort nach dem Friedhof geschafft wurden) auch seine gefunden. 26. April 1943 In Petrikow schaut es so aus. Vor dem Grabe wird man ganz nackt entkleidet, muss niederknien und wartet auf den Schub. Angestellt stehen die Opfer und warten, bis sie dran sind. Dabei müssen sie die ersten, die Erschossenen, in den Gräbern sortieren, damit der Platz gut ausgenützt und Ordnung ist. Die ganze Prozedur dauert nicht lange. In einer halben Stunde sind die Kleider der Erschossenen wieder im Lager. Nach den Aktionen hat der Judenrat eine Rechnung von 30 000 Zloty für verbrauchte Kugeln bekommen, die zu bezahlen waren. Warum können wir nicht schreien, warum können wir uns nicht wehren? Wie kann man so viel unschuldiges Blutfließen sehen und sagt nichts, tut nichts und wartet selber auf den gleichen Tod? So elend, so erbarmungslos müssen wir zugrunde gehen. Glaubt Ihr, wir wollen so enden, so sterben? Nein! Nein! Wir wollen nicht.
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Reiner Text
[unbekannt] 07. April 1943 Meine Teuren! Bevor ich von dieser Welt gehe, will ich Euch, meine Liebsten, einige Zeilen hinterlassen. Wenn Euch einmal dieses Schreiben erreichen wird, sind ich und wir alle nicht mehr da. Unser Ende naht. Man spürt es, man weiß es. Wir sind alle, genau so, wie die schon hingerichteten unschuldigen, wehrlosen Juden, zum Tode verurteilt. Der kleine Rest, der von den Massenmorden noch zurückgeblieben ist, kommt in der allernächsten Zeit an die Reihe. Es gibt für uns keinen Ausweg, diesem grauenvollen fürchterlichen Tode zu entrinnen. Gleich am Anfang (im Juli 1941) wurden ca. 5 000 Männer umgebracht, darunter auch mein Mann. Nach sechs Wochen habe ich nach fünf Tagen langen Herumsuchens unter den Leichen (die vor der Ziegelei umgebracht und von dort nach dem Friedhof geschafft wurden) auch seine gefunden. 26. April 1943 In Petrikow schaut es so aus. Vor dem Grabe wird man ganz nackt entkleidet, muss niederknien und wartet auf den Schub. Angestellt stehen die Opfer und warten, bis sie dran sind. Dabei müssen sie die ersten, die Erschossenen, in den Gräbern sortieren, damit der Platz gut ausgenützt und Ordnung ist. Die ganze Prozedur dauert nicht lange. In einer halben Stunde sind die Kleider der Erschossenen wieder im Lager. Nach den Aktionen hat der Judenrat eine Rechnung von 30 000 Zloty für verbrauchte Kugeln bekommen, die zu bezahlen waren. Warum können wir nicht schreien, warum können wir uns nicht wehren? Wie kann man so viel unschuldiges Blutfließen sehen und sagt nichts, tut nichts und wartet selber auf den gleichen Tod? So elend, so erbarmungslos müssen wir zugrunde gehen. Glaubt Ihr, wir wollen so enden, so sterben? Nein! Nein! Wir wollen nicht.
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