An die Nachwelt

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18. April 1940
[unbekannt]
Ich glaube, dass jeder von uns diesen postoperativen Schock überwinden muss, wie wenn einem der Tumor herausgeschnitten wird, der Tumor, der deinem Organismus so viel Energie entzieht. Dieser Tumor war unser unverbrüchliches Zutrauen, unsere unverbrüchliche Liebe zu einem Land, das uns Juden nie wirklich aufgenommen hat, und obwohl wir es liebten und uns in ihm zu Hause fühlten, haben alle anderen uns als Fremde betrachtet. [...] Obwohl ich im Geist der Nation erzogen wurde, in der ich lebte und als Teil derer ich mich fühlte, gab es keine Gelegenheit, wo mir nicht klargemacht wurde, dass ich ein unerwünschter Fremder war, ob das nun in der Grundschule, im Gymnasium, an der Universität oder in der Armee war. Überall traf ich auf spöttisches Lachen, verächtliches Schnauben, obwohl ich versuchte, mich zu assimilieren, obwohl ich alles unternahm, um dazuzugehören. Ich konnte sogar keine andere Sprache und dachte genauso wie jeder andere auch, aber das war noch immer nicht genug. Es ging darum, uns los zu werden, uns aus der Gesellschaft auszuschließen, uns zu Bürgern zweiter Klasse zu machen. Wir sollten uns nicht selbst belügen, zumindest sehe ich das so aus der Distanz von einem Jahr, das ich brauchte, um all das zu verarbeiten. [...] Wie auch immer: hier gibt es keine Nationalitätsunterschiede, und ich werde auf der Basis meiner persönlichen Qualitäten beurteilt, nicht nach meinem krausen Haar. Vielleicht stehe ich ja kurz vor einer neuen Lüge oder einer neuen Selbsttäuschung, doch bisher merke ich davon nichts, bisher entgehe ich dem. Wir alle haben einen Feind, den degenerierten Nazismus und Rassismus, den Totalitarismus, die Unterdrückung der Freiheit des Geistes.
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[unbekannt] 18. April 1940 Ich glaube, dass jeder von uns diesen postoperativen Schock überwinden muss, wie wenn einem der Tumor herausgeschnitten wird, der Tumor, der deinem Organismus so viel Energie entzieht. Dieser Tumor war unser unverbrüchliches Zutrauen, unsere unverbrüchliche Liebe zu einem Land, das uns Juden nie wirklich aufgenommen hat, und obwohl wir es liebten und uns in ihm zu Hause fühlten, haben alle anderen uns als Fremde betrachtet. [...] Obwohl ich im Geist der Nation erzogen wurde, in der ich lebte und als Teil derer ich mich fühlte, gab es keine Gelegenheit, wo mir nicht klargemacht wurde, dass ich ein unerwünschter Fremder war, ob das nun in der Grundschule, im Gymnasium, an der Universität oder in der Armee war. Überall traf ich auf spöttisches Lachen, verächtliches Schnauben, obwohl ich versuchte, mich zu assimilieren, obwohl ich alles unternahm, um dazuzugehören. Ich konnte sogar keine andere Sprache und dachte genauso wie jeder andere auch, aber das war noch immer nicht genug. Es ging darum, uns los zu werden, uns aus der Gesellschaft auszuschließen, uns zu Bürgern zweiter Klasse zu machen. Wir sollten uns nicht selbst belügen, zumindest sehe ich das so aus der Distanz von einem Jahr, das ich brauchte, um all das zu verarbeiten. [...] Wie auch immer: hier gibt es keine Nationalitätsunterschiede, und ich werde auf der Basis meiner persönlichen Qualitäten beurteilt, nicht nach meinem krausen Haar. Vielleicht stehe ich ja kurz vor einer neuen Lüge oder einer neuen Selbsttäuschung, doch bisher merke ich davon nichts, bisher entgehe ich dem. Wir alle haben einen Feind, den degenerierten Nazismus und Rassismus, den Totalitarismus, die Unterdrückung der Freiheit des Geistes.
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